Warum die nigerianische Ordensfrau Schwester Mary in Kolbermoor eine zweite Heimat hat
Schwester Mary (rechts) vor dem neuen Kindergarten, an ihrer Seite eine der 13 Mitschwestern, die sich um die rund 60 Mädchen und Buben kümmern, die im Waisen- und Kinderhaus „Madonna Angels“ leben. re

Die Verbindung zwischen der nigerianischen Ordensfrau Schwester Mary und Kolbermoor besteht schon seit Jahren. Ein Förderverein aus der Stadt unterstützt sie bei Ihrem Einsatz für Waisen. Schwester Mary plant jetzt ein neues Projekt.

Kolbermoor – Die Mädchen und Buben sitzen auf kleinen bunten Stühlchen. Nach dem Unterricht rollen sie ihre Matten aus und machen Mittagsschlaf: Der Kindergarten ist endlich fertig. Es ist eines der neuen Projekte von Schwester Mary, diekürzlich den zehnten Geburtstag des Waisen- und Kinderhauses „Madonna Angels“ in Atani in Nigeria gefeiert hat. Jetzt plant die 59-Jährige auf dem Dach des Kindergartens eine Schule – „Bildung ist das Fundament von allem“,so Schwester Mary.
Förderverein in Kolbermoor 2007 geründet

Über den neuen Kindergarten, der wie das Waisen- und Kinderhaus nach europäischen Standards gebaut wurde, freut sich auch der Kolbermoorer Förderverein „Madonna Angels“, der seit 2007 besteht und von zwölf Kolbermoorern gegründet wurde, und unermüdlich Spenden sammelt. Vize-Vorsitzende ist Marianne Mayer. Sie war schon mehrmals dort und konnte sich ein Bild machen von der „Oase im Chaos“.

2003 hat Schwester Mary angefangen, das Waisenhaus zu bauen. Sie kam nach Kolbermoor, um in einer Klinik in Bad Aibling zu arbeiten, um so Geld für ihr Projekt zu verdienen. 2004 hat Mayer Schwester Mary kennengelernt.

Rund 60 Kinder betreut Schwester Mary im Waisen- und Kinderhaus in Atanai. Im neuen Kindergarten halten die Kleinen auch Mittagsschlaf.

Immer mehr Kolbermoorer und auch Firmen wurden auf Schwester Marys Projekt aufmerksam – und es kamen viele Spenden zusammen. „Einmal konnte sie einen Lkw kaufen und hat ihn mit gespendeten Möbeln und Badewannen beladen“. An die Schulmöbel kann sich Mayer noch genau erinnern – „auf denen habe ich selbst gesessen“, erzählt sie und lacht.
Schwester Mary verlässt Kolbermoor 2009 in Richtung Nigeria.

Zwischenzeitlich ist Schwester Mary immer wieder nach Nigeria geflogen, um sich vom Bau-Fortschritt zu überzeugen. Dann beauftragte sie Ike, einen jungen Mann, der vor Ort alles koordinierte. Ike ist bis heute an Schwester Marys Seite. 2009 ist Schwester Mary dann endgültig nach Nigeria zurückgekehrt.

Damals war das Waisen- und Kinderhaus noch gar nicht ganz fertig, dennoch wurde es eröffnet.
Das erste im Waisenhaus geborene Baby wird nach einem Kolbermoorer benannt

Im Sommer 2009 kam das erste Baby im noch unfertigen Haus zur Welt. Schwester Mary taufte den Buben auf den Namen Peter  –  „er wurde nach dem Schirmherrn des Projekts „Madonna Angels“ unserem Bürgermeister Peter Kloo benannt“, so Mayer. „Heute ist der kleine Peter zehn Jahre alt, er lebt immer noch dort, geht zur Schule, ist Ministrant und ein aufgeweckter Junge“.

2010 kam Mary wieder nach Kolbermoor, um Geld zu verdienen. „Ich habe sie damals vom Flughafen abgeholt“, erinnert sich Marianne Mayer. Im Auto erzählte Schwester Mary, dass sie zwar Arbeit habe, aber der Vermieter ihr kurzfristig mitgeteilt hatte, dass es mit der Wohnung nicht klappt.
Schwester Mary wohnt bei Kolbermoor-Besuchen bei Familie Mayer.

Marianne Mayer sprach mit ihrem Mann und Schwester Mary zog zu Familie Mayer – „hier ist sie daheim. Und immer wenn Schwester Mary jetzt nach Kolbermoor kommt, wohnt sie bei uns. Sie gehört zur Familie“, sagt Mayer, die nächtelang mit Schwester Mary ratscht, wenn sie hier ist.

2010 war ein Schicksalsjahr: Acht Monate war Schwester Mary damals in Kolbermoor – es war kein Geld mehr da und wir haben uns gefragt, wie es weitergehen soll, erinnert sich Mayer. „Wir haben alle gebetet und dann stand fest: Wir machen weiter.“ 2011 „kam dann der Durchbruch. Wir fingen an mit den Patenschaften“.

2014 wurde das Waisen- und Kinderhaus dann feierlich eingeweiht. Mithilfe von Spenden konnte Schwester Mary eine Photovoltaik-Anlage anschaffen – „ein absolutes Luxusgut in Nigeria, schließlich fällt ständig der Strom aus“. Ein Glücksfall, über den sich nicht jeder freute: Ein Priester vor Ort erzählte „über Schwester Mary, dass sie die Kinder verkaufe und so an das Geld komme“, so Mayer.
So sahen die Bauarbeiten des Kindergartens aus. Jetzt ist er fertig, aber die Arbeiten gehne weiter: In den ersten Stock soll eine Schule.

Plötzlich standen 25 bewaffnete Polizisten vor dem Kinderheim. Die Kinder wurden versteckt, Schwester Mary festgenommen. Mithilfe unterschiedlicher Kontakte gelang ihr die Flucht nach Kolbermoor. Es wurden Briefe samt Spenden-Quittungen an die Kardinäle verschickt – „und wir sind nach Altötting gefahren und haben gebetet“. Von oben kam prompt Hilfe: Schwester Mary kehrte nach Nigeria und ihren Kindern zurück. Der Priester sagte: „Ich werde dir nicht helfen, aber ich lasse dich in Ruhe“, erzählt Mayer.
Zwei Koffer voller Deospray

Seither arbeitet Schwester Mary unermüdlich an ihrer Oase: „Jeder, der bei ihr lebt, hat einen Sechser im Lotto.“ Sie kümmert sich um Waisen, um junge Mütter und junge schwangere Frauen und organisiert Armenspeisungen. Immer wenn Marianne Mayer sich aufmacht nach Nigeria hat sie zwei Koffer voller Mitbringsel: „Am beliebtesten sind Deosprays.“ Vor Ort packt sie mit an –  auch wenn es mit der Verständigung manchmal schwer ist. Dann verständige man sich mit Händen und Füßen.

Mayer kümmert sich um die Kinder, kauft ein, kocht, wäscht Windeln. Kommt sie zurück nach Kolbermoor, sei sie geerdet und wisse, wie gut es ihr hier geht. Das nächste Wiedersehen steht auch schon fest: Schwester Mary kommt im Sommer nach Kolbermoor. Und sie zieht zu Marianne Mayer – zu ihrer zweiten Familie nach Kolbermoor.

Peter ist das erste Kind, das in Schwester Marys Kindheim geboren wurde.

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